14. Mai 2019

Strategie-Entwicklung der St.Galler Spitalverbunde: Gemeinderat Wattwil irritiert über weiteres Vorpreschen des Verwaltungsrats

Die Toggenburger Bevölkerung und der Gemeinderat Wattwil sind irritiert über die Entscheide zur Weiterentwicklung der St.Galler Spitalstrategie. Ohne dass die strategischen Grundlagen klar wären, treibt der Spitalverwaltungsrat die Politik vor sich her und erzwingt irreversible Entscheide, welche die medizinische Grund- und Notfallversorgung im Toggenburg akut gefährden. Für den Wattwiler Gemeinderat ist klar: Die Politik muss diesem verantwortungslosen Handeln Einhalt gebieten.

Angesichts des Drucks, den der beauftragte Spitalverwaltungsrat aufgebaut hatte, hat die St.Galler Regierung seinem Antrag zugestimmt, den Baustopp am Spital Wattwil auf unbestimmte Zeit zu verlängern und die Operationstätigkeit am Spital Wattwil per 1. November 2019 einzustellen. Wie abstrus der Verwaltungsrat agiert, zeigt sich darin, dass die Kapazitäten mit einem in den letzten Monaten neu gebauten OP noch vergrössert wurden, um nun die Investition gleich wieder in den Sand zu setzen.

Ergebnisoffenheit fehlt
Der Gemeinderat Wattwil sieht sich in seiner schlimmsten Befürchtung bestätigt, erklärt Gemeindepräsident Alois Gunzenreiner: «Der Spitalverwaltungsrat zieht seinen Plan durch. Er zeigt kein Interesse an der vielzitierten Ergebnisoffenheit. Einmal mehr tritt er die Sorgen der Bevölkerung und die Nöte der Mitarbeitenden mit Füssen und desavouiert den Strategieprozess, den die Regierung definiert hatte. Das ist auch demokratiepolitisch äusserst bedenklich. Der Verwaltungsrat verdient damit kein Vertrauen mehr.» Für den Gemeinderat ist klar: Mit den Entscheiden werden die Probleme der SRFT keineswegs gelöst, sie greifen tiefer. «Der Spitalverwaltungsrat treibt die Schliessung des Spitals Wattwil und damit den Kollaps der medizinischen Grund- und Notfallversorgung im Toggenburg bewusst voran», betont Alois Gunzenreiner. Der verlängerte Baustopp verhindert unter anderem die Integrierte Notfallpraxis (INP), die für die Versorgung im Toggenburg unabdingbar und von allen Akteuren in allen Varianten, Modellen und Szenarien (ausser der Schliessung des Spitals Wattwil) unbestritten ist.

Wattwiler Alternativmodell einbeziehen
Der Wattwiler Gemeinderat sieht sich darin bestätigt, dass er mit seinem Alternativmodell «Integrierte Gesundheitsversorgung Toggenburg» auf dem richtigen Weg ist. Angesichts der Schieflage der SRFT ist das Spital Wattwil so rasch wie möglich in eine selbständige Trägerschaft zu überführen. «In ihrer Medienmitteilung vom 8. Mai hat die Regierung erneut bekräftigt, dass die Vorschläge der Standortgemeinden in die Strategie-Arbeit miteinbezogen werden», betont Alois Gunzenreiner. «Der Gemeinderat vertraut weiterhin darauf, dass die Regierung ihre Zusagen durchsetzt und der Lenkungsausschuss das Wattwiler Modell konkret und korrekt in die weitere Ausarbeitung der Spitalstrategie mit einbezieht.» Für den Gemeinderat steht die Ernsthaftigkeit dieser Abmachung an einem Treffen in der zweiten Hälfte Mai auf dem Prüfstand (siehe Box). Das Modell der Integrierten Gesundheitsversorgung Toggenburg verspricht am Spital Wattwil ein massgeschneidertes, flexibles Angebot, das auf die Bedürfnisse im Toggenburg zugeschnitten ist und die Gesundheitsversorgung langfristig sicherstellt.

Bedenkliche Widersprüche

Der Gemeinderat Wattwil sieht im Vorgehen des Spitalverwaltungsrats auch inhaltlich etliche Widersprüche:

Zeitdruck versus Baustopp
Die verordnete Untätigkeit bis 2020 oder 2021 kann sich das Toggenburg schlicht nicht leisten. Die Fakten ändern sich damit nicht – sie verschlimmern sich: Die Hausärztedichte wird weiterhin rückläufig sein, die verbleibenden Ärzte werden älter und können nicht mehr Notfalldienst leisten, Nachfolger für Hausärzte oder gar sich neu sich niederlassende Ärzte zu finden, wird noch schwieriger. Und die Belegschaft am Spital motiviert zu halten, wenn die Zukunft des Spitals unsicher ist und Angebote abgezogen werden, ist schlicht unmöglich. Der OP-Entscheid und der Baustopp bewirken genau das Gegenteil davon, was sie bewirken sollten: Sie schaffen nicht Zeit für eine ergebnisoffene Gesamtschau, sondern führen einzig hin zur Schliessung des Spitals.

Ergebnisoffenheit versus 4-Standorte-Konzept
Spitalverwaltungsrat und Regierung betonen unablässig die Ergebnisoffenheit des Prozesses. Das 4-Standorte-Konzept des Verwaltungsrates, das vorsieht, stationäre Leistungen nur noch an den vier ausgesuchten Standorten anzubieten und für die fünf verbleibenden Spitalstandorte Alternativen zu prüfen, schafft jedoch vollendete Tatsachen.

Sicherheit versus Unsicherheit
Die Regierung will Sicherheit, bevor sie Entscheide trifft. Das ist auch der Wunsch des Gemeinderats. Bevor jedoch voreilige Entscheide gefällt werden, muss eine Gesamtstrategie bekannt sein. Das ist heute nicht der Fall. Mit den nun – vor dem Vorliegen der Ergebnisse des Strategieprozesses – erzwungenen Einzelmassnahmen am Spital Wattwil will der Verwaltungsrat die Politik der nötigen Handlungsfreiheit für die Zukunft berauben. Die vorschnellen Entscheide schaffen nicht mehr Sicherheit, sondern neue Unsicherheit bei den Patientinnen und Patienten, in der Bevölkerung und nicht zuletzt auch bei der Belegschaft des Spitals. Das ist für den Wattwiler Gemeinderat nicht akzeptabel.

Alleingang versus Einbezug der Betroffenen
Die Kommunikation von letzter Woche vermittelte den Eindruck, dass die jetzt getroffenen Entscheide in Zusammenarbeit mit den Betroffenen (Standortgemeinden, Ärzte und Spitalmitarbeitende) ausgearbeitet wurden. Das irritiert und stimmt für Wattwil nicht: Der Wattwiler Gemeinderat hat dem Lenkungsausschuss am 25. März sein Alternativmodell «Spital Wattwil 2021» vorgeschlagen. Dazu gehört wesentlich die Verselbständigung des Spitals. Bislang wurde das Modell vom Lenkungsausschuss nicht offiziell gewürdigt. Ein Treffen einer Arbeitsgruppe, die ausloten soll, wie das Wattwiler Alternativmodell einbezogen und weiterverfolgt werden soll, steht erst in der zweiten Mai-Hälfte bevor.