Spitalstrategie: Ist auch die Vernehmlassung nur eine Farce ?!

10. Januar 2020

Noch ist nicht einmal das Vernehmlassungsverfahren zur Spitalvorlage abgeschlossen –also auch noch nicht klar, was mit dem Spital Wattwil geschieht. Doch bereits will die St.Galler Regierung den Gemeinderat Wattwil in die plötzlich aufgetauchte neue Idee «Pflegeheim statt Spital» für den rund Fr. 60 Mio. teuren Spitalneubau in Wattwil involvieren: Dieser soll zweckfremd nicht mehr medizinisch, sondern für die Pflege umgenutzt werden.

Aufgrund der öffentlichen Stellungnahmen zur desolaten Spitalstrategie muss die Not der Regierung gross sein, denn das Trauerspiel geht weiter: Mit grösster Irritation musste der Gemeinderat Wattwil zur Kenntnis nehmen, dass die Regierung offenbar keinen Wert auf eine Schlussfolgerung aus den Vernehmlassungsantworten legt und bereits unter Hochdruck daran arbeitet, den im Juni 2018 eröffneten Spitalneubau in Wattwil loszuwerden – dies, noch bevor der politische Entscheidungsprozess zur «Weiterentwicklung der Strategie der St.Galler Spitalverbunde» überhaupt abgeschlossen ist. Just auf den Ablauf der Vernehmlassungsfrist am 20. Dezember 2019 hin trat sie mit der plötzlich neuen Idee an den Gemeinderat heran, den Spitalneubau mit einem privaten Anbieter statt für medizinische für pflegerische Leistungen zu nutzen. Aus dem Spital Wattwil würde also ein Pflegeheim werden.

Staatspolitisch fragwürdig
Der Gemeinderat nimmt zur Kenntnis, dass das Modell «Integrierte Gesundheitsversorgung Toggenburg» der Gemeinde Wattwil für die Zukunft des Spitals Wattwil mit einem medizinischen Leistungsangebot der Regierung nicht genehm ist, weil es nicht in den vorbereiteten Plan passt und gemäss den Aussagen der Regierung eine Konkurrenzsituation zum staatseigenen Spitalverbund schaffen würde. Kein Problem sieht die Regierung dann aber in der Idee, im Wattwiler Spitalneubau ein «überregionales Angebot im Bereich Spezial-Langzeitpflege» als Notlösung vorzusehen. Für den Gemeinderat ist das Vorgehen der Regierung staatspolitisch höchst fragwürdig: Die Planung und Organisation der Pflege ist eine staatliche Aufgabe, die auf der kommunalen Ebene angesiedelt ist. Sie wird im Toggenburg seit Jahren zur Zufriedenheit aller Beteiligten durch private Anbieter, regionale Zweckverbände und die Gemeinden erfüllt.

Nicht an der Versorgung orientiert
Die regionale Bedarfsplanung zeigt, dass die nötigen Kapazitäten in der Pflege vorhanden und gesichert sind, und letztlich würde die Idee am bevorstehenden Notstand in der medizinischen Versorgung auch nichts ändern. Der Gemeinderat hat der Regierung seine Befürchtung mitgeteilt, dass mit ihrem Vorgehen weitere Fakten geschaffen werden sollen, die einen ergebnisoffenen Ausgang des laufenden Prozesses verunmöglichen. «Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass es offenbar nur noch darum geht, den Schaden zu minimieren, den die Regierung mit der Vernichtung von Volksvermögen im grossen Stil vorsieht – und das nun auch noch zulasten unserer funktionierenden Strukturen», fasst Alois Gunzenreiner zusammen. Umso stossender ist es für den Gemeinderat, dass die Regierung bereits jetzt mit einem privaten Anbieter unnötigen Aktivismus über ihre Kompetenzen hinaus entwickelt, während sie selbst in ihrem Hoheitsbereich jegliches Mittun privater Anbieter kategorisch ausschliesst, wie neben dem Nein zum Wattwiler Modell auch die Ablehnung eines Verkaufs des Spitals Flawil zeigt. Das Vorgehen ist einmal mehr unverständlich und nicht vertrauensbildend.

«Eine weitere Farce»
Der Gemeinderat konnte die Thematik an seiner Sitzung vom 7. Januar 2020 diskutieren. Er distanziert sich in aller Form von dieser erneuten «Hauruck-Übung». Zum wiederholten Mal sieht sich der Gemeinderat gezwungen, den Lenkungsausschuss und die Regierung daran zu erinnern, dass auch sie sich an die demokratischen Prinzipien unseres Rechtsstaates zu halten haben. Schliesslich ist noch alles andere als klar, dass das Spitalgebäude für andere Zwecke verfügbar werden wird, nachdem noch nicht einmal die Vernehmlassung zur Spitalstrategie abgeschlossen ist. Leider liess die Regierung bereits im ganzen Spitalstrategie-Prozess seit Mai 2018 auch die nötige Achtung vor den rechtlichen Grundlagen für die einschlägigen Entscheide vermissen: «Bereits der ganze Prozess war eine Farce», wiederholt Alois Gunzenreiner schon früher geäusserte Kritik. «Von allem Anfang an wurde das Ergebnis der Volksabstimmung 2014 als obsolet dargestellt. Und es wurden laufend durch nicht vorgesehene Entscheide Fakten geschaffen, die das Spital Wattwil systematisch ausbluten lassen. Obendrein wurden damit auch erhebliche finanzielle Mittel verschleudert.» Der Gemeinderat Wattwil erwartet die Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens sowie anschliessend die Entscheide durch Parlament und Volksabstimmung.

Mangelndes Demokratieverständnis
Verwaltungsrat und Regierung haben das Spital Wattwil mit den Fakten schaffenden Entscheiden und der desaströsen Kommunikation der letzten Monate willentlich «an die Wand gefahren». Nun suchen die Verantwortlichen offenkundig händeringend nach einem Ausweg, weil sich Fragen von persönlicher Verantwortung und Haftung immer stärker in den Vordergrund drängen. Schadensbegrenzung scheint eine höhere Priorität zu geniessen, als für das Toggenburg die Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. Für den Gemeinderat ist klar: Nur so ist zu erklären, dass sich die St.Galler Regierung über die bewährten demokratischen Gepflogenheiten hinwegsetzt. «Offenbar ist für die Verantwortlichen bereits vor der Auswertung der Vernehmlassung klar, dass diese nichts an den Plänen der Regierung ändern wird. Unsere Rückmeldungen nehmen sie jedenfalls nicht ernst», stellt Alois Gunzenreiner fest. «Die Befürchtungen des Gemeinderates haben sich einmal mehr bestätigt.»

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Integrierte Versorgung
Der Gemeinderat Wattwil ist überzeugt, dass es langfristig eine für die Steuer- und Prämienzahlerinnen und -zahler nachhaltigere sowie günstigere Lösung für die Vereinfachung der St.Galler Spitallandschaft gibt als die von der Regierung beabsichtigte. Er ist überzeugt, dass eine solche greifbar ist, namentlich eine, welche die spezielle Situation im Toggenburg (lange Wege, keine Hauptverkehrsverbindung etc.) berücksichtigt. Ebenso klar ist für den Gemeinderat Wattwil jedoch: Die Schliessung des Spitals Wattwil mit der drohenden medizinischen Unterversorgung und dem Verlust von 300 Arbeitsplätzen würde sich für Wattwil und das Toggenburg als Wohn- und Arbeitsraum massiv negativ auswirken. Er hat deshalb in seiner Vernehmlassungs-Stellungnahme die Erwartung formuliert, dass die Spitalstrategie im anstehenden politischen Prozess grundsätzlich überarbeitet wird.