Spitalstrategie: Keine Lösung für das Toggenburg

21. August 2020

Die Region Toggenburg, der Toggenburger Ärzteverein (TÄV), die Gemeinde Wattwil und der Förderverein Regionalspital Toggenburg Wattwil (Pro Spital) nehmen das Ergebnis der Beratung der Spitalvorlage in der vorberatenden Kommission enttäuscht und konsterniert zur Kenntnis. Falls der Kantonsrat der Kommission folgt, droht im Toggenburg ein Notstand in der medizinischen Grundversorgung.

«Wir bedauern es ausserordentlich, dass es in Wattwil offenbar aus politischen Gründen einfach grundsätzlich keine stationären medizinischen Leistungen mehr geben darf – weder von einem öffentlich-rechtlichen Spital noch mit einer privaten Lösung», fasst Uwe Hauswirth, Präsident des Toggenburger Ärztevereins (TÄV), seine Enttäuschung zusammen. «Das Spital Wattwil ist der Ankerbetrieb unserer Gesundheitsversorgung im Toggenburg. Ein Minimum an stationären medizinischen Leistungen wäre zwingend notwendig, um die medizinische Grundversorgung zu gewährleisten. Ohne einen solchen Anker laufen wir in einen Versorgungsnotstand rein.»

«Ausserstande, die Verantwortung mitzutragen»

Der TÄV-Präsident blickt besorgt in die Zukunft: «Das, was Regierung und Kommission wollen, ist keine Lösung. Entweder verschliesst man die Augen vor der Realität, oder das Toggenburg ist blinder Punkt im Blickfeld des Kantons.» Gemäss Vorlage haben die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in den Regionen eine tragende Rolle. «Wir wollen die uns zugedachte Rolle seriös wahrnehmen», betont Uwe Hauswirth. «Doch ohne den Erhalt eines minimalen stationären Angebots an Innerer Medizin und Altersmedizin am Spital Wattwil sehen wir uns ausserstande, die Verantwortung für die medizinische Versorgung im Toggenburg mitzutragen.» Er verweist auf die Versorgungspflicht des Kantons und auf die akute Hausarzt-Lücke, die sich in der Region abzeichnet: «Es ist bereits absehbar, dass bei uns 2029 nur noch 10 Hausärztinnen und -ärzte unter 65 Jahren tätig sind.» Nur dank enger Zusammenarbeit mit dem Spital können sie die Grund- und Notfallversorgung für Bevölkerung, Arbeitnehmende und Tourismus noch sichern, erklärt Uwe Hauswirth: «Das Spital ist für die erfolgreiche Ansiedelung von Ärztinnen und Ärzten unabdingbar. Und ohne Spital ginge auch das Fundament der engen Zusammenarbeit in der erweiterten Grundversorgung verloren. Bei einem kumulierten Ausfall der Leistungserbringer, also ohne Spital und mit derart wenig Hausärztinnen und -ärzten, liesse sich weder Versorgung noch Versorgungsqualität weiter gewährleisten.»

«Lösungen aus der Region ignoriert»

«Zudem verstärken sich bei uns gleich noch weitere Rahmenbedingungen gegenseitig», ergänzt der Wattwiler Gemeindepräsident Alois Gunzenreiner, der auch die Region Toggenburg präsidiert. «Das Toggenburg ist sehr weitläufig und hat keine schnelle Hauptverkehrsverbindung zu einem Spital ausserhalb der Region. Ohne Spital Wattwil wäre die Region mehrheitlich von der Spitalversorgung abgehängt.» Er hofft, dass sich der Kantonsrat an die Lösungen erinnert, welche aus der Region präsentiert wurden: «Es ist zutiefst irritierend, dass in einem solch zentralen Versorgungsthema sämtliche Lösungen aus der Region einfach ignoriert werden, obwohl man vor Ort wohl am besten beurteilen könnte, wie die Versorgungslage aussieht.» Alois Gunzenreiner erinnert daran, dass nach wie vor Leistungserbringer und Investoren für die Spitalimmobilie in Wattwil zur Verfügung ständen, mit denen eine Win-Win-Situation in einer «Private-Public-Partnerschaft» geschaffen werden könnte: «Unsere Partner stehen weiterhin für eine alternative Lösung in Kooperation mit dem Kanton zur Verfügung. Diese Lösung wäre auf die Bedürfnisse vor Ort, auf Stärken und Kompetenzen ausgerichtet. Sie würde die medizinische Versorgung aus der Region für die Region sicherstellen.»

Volksvermögen vernichten?

Völlig unverständlich ist für Norbert Stieger, Vizepräsident des Fördervereins Regionalspital Toggenburg, dass der Kanton offenbar in Kauf nehmen will, dass das bereits in die Erneuerung des Spitals Wattwil investierte Volksvermögen vernichtet würde: «Mit der einen Hand investiert der Kanton zukunftsgerichtet im Toggenburg. Mit der anderen Hand will er nun das bereits für rund 60 Mio. Franken erneuerte Regionalspital verscherbeln und den grössten Arbeitgeber im Toggenburg einfach zerschlagen – und torpediert damit auch den Nutzen der anderen Investitionen. Das kann doch nicht wahr sein!»