1240
Iburg
Geschichte der Iburg

Veröffentlichung durch: 
Buchdruckerei Wattwil AG, Wattwil, 1960, l. Reihe 
 
Es ist ewig schade, dass das Schloss Iberg heute nur noch eine renovierte Ruine ist. Welch herrlichen Anblick müsste es bieten, wenn es, zwar altersgrau, aber unversehrt, mit seinen mächtigen Vorwerken trutzig ins Tal hinunterschauen würde! Wie viele Erinnerungen würden wach, wenn man seine Säle und Gemächer durchschreiten und treppauf, treppab in die dreistöckigen, dunklen Verliesse hinabsteigen oder vom hohen Söller aus die ganze Anlage überblicken könnte! Uns Buben erzählte man, die Burg sei zu Beginn des letzten Jahrhunderts zusammengeschossen worden. In der Bleiken seien die Kanonen gestanden, die mit ihren Feuerschlünden die starken Mauern niedergelegt hätten. Keine Spur von all dem! Das Ende der stolzen Feste, die so manchen Sturm überdauert hatte, war mitnichten so heroisch. Der Wattwiler Fabrikant Jakob Schwander, Besitzer des Ibergs in den Zwanziger- und Dreissigerjahren des letzten Jahrhunderts, liess 1835 durch alt Zimmermeister Scherrer von Nesslau den gewaltigen Dachstuhl abbrechen und alles Holz und die Ziegel wegführen, wütend darüber, dass die Gemeinde seinen Vorschlag, das Schloss als Armenhaus zu übernehmen, ablehnte. Schutzlos dem Wetter preisgegeben, zerfielen die Mauern. Wem kommt da nicht die Fabel vom Löwen in den Sinn, der, alt und zahnlos und ohne Krallen, sich von einem Esel einen Fusstritt gefallen lassen muss?  

Die Burg im Sturm 

Christian Kuchimeister, Burger der Stadt St. Gallen ist der Erste und Einzige, der 1335 in seiner Chronik "Nüwe Casus Monasterii sancti Galli" von der Entstehung und von den ersten Schicksalen dieses Schlosses berichtet. Ein begüterter und wehrhafter Dienstmann des Klosters St. Gallen, aus dem Geschlecht der Iberg, erbaute um 1240 herum die Burg, die nach ihm ihren Namen erhielt. Mit scheelen Augen sahen die Grafen von Toggenburg diesen Bau ob Wattwil in die Höhe wachsen. Verhindern konnten sie ihn nicht, denn der Edle von Iberg war schon für sich und mehr noch als st. gallischer Dienstmann mächtig genug, sich ihrer Gewalt zu erwehren. Aber als das Werk vollendet dastand, überfiel Graf Kraft I. den Iberger und dessen Sohn und liess beide gefesselt vor die Burg bringen. Was verblieb den Verteidigern im Anblick der Gefangenen anders übrig, als das ihnen anvertraute Schloss zu übergeben? Der Eroberer änderte nun dessen Namen in Kraftsberg um und drohte jedem, der es anders zu nennen wagte, seine Rache an. Trotz der Übergabe der Feste erlangten die Überlisteten die Freiheit nicht wieder. Im Gegenteil! Die Burg, die sie sich als Stützpunkt ihrer Macht gebaut hatten, diente ihnen jetzt zum schauerlichen Gefängnis. So hart war die Haft, dass der Sohn Ulrich ihr binnen kurzem erlag. 
Den unglücklichen Vater aber führte man darauf von Iberg nach Uznaberg. Dort sollte er in einem Blockwerk sein Leben beschliessen. Doch die Not macht erfinderisch. Ein Blech, das er von einer Platte riss, brachte die Rettung. Er sägte und feilte damit den Boden durch und liess sich dann durch das Loch in das Tobel hinab. Unten traf er gerade einen Bauern, der sein Pferd mit sich führte. Hilfsbereit setzte dieser ihn auf das Ross, seitwärts, wie eine Frau, weil er noch die Fussketten anhatte. So entkam der Hartgeprüfte glücklich der trostlosen Gefangenschaft. Da ihm nun die goldene Freiheit wieder lachte, ging er sobald er konnte, nach St. Gallen und schenkte dem Abt den Iberg mitsamt dem dazu gehörigen Besitz und erhielt dafür andere Güter. Jetzt hatte es Graf Kraft von Toggenburg mit einem unvergleichlich mächtigeren Gegner zu tun, der die sofortige Freigabe des Schlosses Iberg forderte und, da ihm nicht entsprochen ward, unverzüglich mit seinen Edlen und Reisigen heranzog, um die Feste mit Gewalt in seine Hand zu bringen. Es war im Jahre 1253, als Abt Berchtold von Falkenstein die Belagerung Ibergs begann und zwar zunächst damit, dass er in der Waldwilde der Pfanneregg, also am Wege vom Thurtal über Remberg in das damals noch äbtische Appenzell, einen Bergfried, ein Blockhaus errichten liess und ihm den Namen Bärenfels beilegte. 

Christian Kuchimeister erzählt dann weiter, wie Kraft I., der Sohn des Brudermörders Diethelm auf einem Ritt nach Oberwinterthur einer Privatrache zum Opfer fiel. Als die Belagerten im Iberg härten, dass ihr Herr tot sei, kapitulierten sie. Allein die Brüder des Ermordeten nahmen die Burg bald darauf wieder ein und Abt Berchtold von Falkenstein sah sich zu einer zweiten Belagerung genötigt. Sie dauerte nicht lange. Denn da keine Hoffnung auf Entsatz bestand, zogen die Eingeschlossenen ab. Doch bevor sie gingen, schlugen sie ein Loch in die äussere Mauer und deckten es mit Steinen zu, in der Absicht, sich dieses geheimen Eingangs bei einer späteren, allfülligen Wiedereroberung bedienen zu können. Die Öffnung wurde tatsächlich erst nach Jahren entdeckt. Weil die Verteidiger das Schloss bei ihrem Abzug in Flammen gesteckt hatten, liess es der Abt wiederherstellen und bei dieser Gelegenheit den Turm um zwei Stockwerke erhöhen. 

Betrachtet man die strategisch vorzügliche Lage Ibergs, aufgerichtet zwischen den beiden überaus wichtigen Passübergängen des Hummelwalds und der Laad einerseits und den beiden toggenburgischen Schlössern Uznaberg und Neutoggenburg andererseits, dann begreift man, dass die Toggenburger Grafen alles daran setzten, die Feste, die wie ein Pfahl in ihrem Fleische steckte, in ihre Hand zu bekommen. Man begreift aber auch, dass die nachfolgenden Äbte ebenfalls alles taten, um sich im Besitz Ibergs zu halten. Als deshalb in einer bösen Fehde Abt Wilhelm von Montfort (1281 bis 1303) mit seinem mächtigen Gegenspieler König Rudolf von Habsburg in Friedensverhandlungen eintreten wollte, zerschlugen sich diese einzig und allein wegen Iberg, das als Schadenersatz für die Niederbrennung von Schwarzenbach gefordert wurde. Lieber wollte es der bedrängte geistliche Herr auf einen Kampf mit ungewissem Ausgang ankommen lassen, als diese Feste opfern. Er hatte sie mit allem Nötigen versehen und sie dem mitverbündeten Heinrich von Griessenberg zur Obhut anvertraut, der den Freiherrn von Hewen zum Schlosshauptmann bestellte. Wilhelm von Monfort's Gegenabt, Konrad von Guldelfingen und seine Schwaben hatten denn auch alle Mühe, sie mit Untergraben und Wurfmaschinen im Jahre 1290 zu bezwingen. Noch ist der gewaltige Schuldenrodel dieses Gegenabtes vorhanden, in dem die Auslagen bei der Belagerung Ibergs einen breiten Raum einnehmen. Als der Gundelfinger auf St. Gallen verzichtete und wieder in sein Stift Kempten zurückkehrte, räumte auch der von ihm eingesetzte Schlosshauptmann Wilhelm von Schwarzenstein das Feld.

Die erwähnten Kriegsereignisse sind nicht die letzten, die die heissumkämpfte Feste umbrandeten. Vadian berichtet, dass die Appenzeller nach der Schlacht am Stoss Iberg einnahmen. Das mag kurz vor Weihnachten l405 geschehen sein, als die Bergleute mit über vierhundert Mann in das Gaster zogen, um für die verbündeten Schwyzer die mittlere March zu erobern. So konnte ihnen die Burg auf der Heimreise über die Laad nicht mehr gefährlich werden. Zur Zeit der Reformation verkauften die Zürcher und Glarner das Schloss den Toggenburgern, doch mit dem Vorbehalt, dass sie es den beiden Orten stets offen halten sollten. 1437 schon hatte sich Abt Eglolf Blarer zu Gleichem gegenüber den Schwyzern verpflichtet und ihnen auch bei einer allfälligen Veräusserung des Schlosses ein Vorkaufsrecht zugesichert, ein Zeichen, wie hoch man allenthalben den Wert dieser bedeutsamen Feste einschätzte. 

Noch einmal tobte ein Kampf um den Iberg, als die anderen Burgen ringsherum längst gebrochen oder zu gewöhnlichen Wohn- oder Verwaltungsgebäuden geworden waren. Aufgestachelt von den beiden Städten Zürich und Bern, erklärten die Toggenburger auf ihrer Landsgemeinde zu Wattwil vom 23. März l707 die Unabhängigkeit ihrer Landschaft von der äbtischen Herrschaft. Allein Fürstabt Leodegar Bürgisser war nicht der Mann, der das Heft so schnell aus der Hand gab. Noch blieben ihm die festen Schlösser im Toggenburg, unter ihnen Iberg, wo Vogt Franz Anton Schorno von Schwyz sich auf eine nachdrückliche Verteidigung gefasst machte. Nach langen und fruchtlosen Verhandlungen an den eidgenössischen Tagsatzungen schritt die toggenburgische Regierungskommission zur eigenmächtigen Besetzung der Schlösser, von denen Iberg im Sommer l709 vergeblich schon einmal belagert worden war. 

Es war in der finstern und nebligen Regennacht des 2. auf den 3. Mai l7l0, als 24 Männer, die meisten aus Wattwil, vom Ratzenloch her an den Iberg heranschlichen. Kein Laut störte die unheimliche Stille, als sie, mit dem Rücken an die Steinblöcke des Turmes gelehnt, das Herunterlassen der Fallbrücke und das Öffnen des Schlosstores abwarteten. Endlich um 3 Uhr herumhörte man eine Stimme aus dem Innern des Schlosses. Jakob Gschwend, der Knecht, rief dem Wächter Jakob Egger, er wolle hinaus. Abraham Anderegg, ein handfester Müller- und Bäckergeselle und Joseph Wäspi hatten sich inzwischen auf beiden Seiten des Tores postiert. Kaum dass die Pforte aufging, zwängten sich beide hinein, während der völlig überraschte Knecht zurückwich und mit seinem Geschrei die ganze Besatzung (es waren ihrer 6 Fürstenländer) auf die Beine brachte. Mit Spiessen suchten sie sich der Eindringlinge zu erwehren. Vom Wehrgang über dem Schlosstor und aus den Fenstern des Palas knallten Schüsse in den Hof hinunter. Zu spät! Schon drangen die Landleute die Stiegen hinauf und verfolgten die Überlisteten von Gemach zu Gemach, sodass dem Vogt nichts mehr anderes blieb, als sich im Schlafzimmer zu ergeben und wenige Tage darauf in seine Heimat abzuziehen. 

Erst nach dem Friedensschluss in Baden im Jahre l7l8 kam Iberg wieder in den Besitz der Abtei St. Gallen zurück. Der Vogt jedoch, der fortan ein Toggenburger sein musste, kehrte nicht wieder, sondern nahm nun auswärts Wohnsitz. Im Schloss liessen sich Lehensleute, die Familien Kappler und Steiger nieder. Sie pachteten und bebauten die Güter, die Burghalden, die Weihers- oder Wasser-, die Büchel- und Holzwiese nebst den drei Weiden Vogelherd, Oberschloss- und Tobelweid und erhielten auch das Wirtschaftsrecht. Statt der Steinschlossgewehre und Feldschlangen, der Hakenbüchsen und Mörser lagen jetzt Most- und Weinfässer in der Burg und aus dem weiten Rittersaal hallte Becherklang und bisweilen Tanzmusik. Aus einer Feste war ein Bauern- und Gasthaus geworden, deren Eigentümer sich je länger je weniger um den Unterhalt des Baues sorgten, bis schliesslich Pankraz Vorsteher, St. Gallens letzter Fürstabt, das Schloss und dessen Güter samt dem Vogtswald 1798 an den letzten Iberger Vogt Franz Joseph Wfuth aus Lichtensteig abtrat, um damit eine Schuld zu begleichen. Bald hernach zogen auch die Bewohner aus dem schadhaften Gebäude weg, und die Burg stand an die zwei Jahrzehnte leer. Dann kam der schwarze Tag, da Jakob Schwanders Unverstand und die Interesselosigkeit seiner Mitbürger die einst so stolze Feste zu einem trostlosen Trümmerhaufen machten. 1902 baute die Gemeinde Wattwil als nunmehrige Eigentümerin des Burgstalls wenigstens die Turmruine wieder auf, verwischte aber leider mit ihrer wohlgemeinten und doch verfehlten Renovation die letzten Spuren des mächtigen Palas und der Vorwerke, die unrettbar verloren blieben. 

Die Bauten  

Zum Glück sind eine ganze Reihe von Gemälden, Stichen, Zeichnungen und alten Photographien erhalten, die eine ziemlich genaue Vorstellung vom Äusseren der Burg ermöglichen. Die älteste Ansicht es Schlosses gibt das wertvolle Leanderbild im Kloster St. Maria der Engel aus dem Jahre 1653 wieder. Mächtig erhebt sich über der Klosterkirche der Iberg mit seinem Turm und dem hohen, dreistöckigen Palas, gekrönt von drei turmähnlichen Erkern mit aufstrebenden Zeltdächern. Von der rechten Flanke des Palas führt die lange Fallbrücke über den breiten Graben zu einem freistehenden Vorwerk, in dem wir wohl die Schlosskapelle vermuten dürfen. Ein Stich von Joh. Baptist Isenring (1796-1860) zeigt die Feste von der Feldbachseite her. Ueber die hohe Schanze mit Schiesseharten schreitet man von links zum Tor, dem einzigen Zugang zum Schlosshof, heute nur noch einen weiten, leeren Platz erschliessend. Links neben dem Schlosstor war unter dem Fenster der Schlossküche ein Stein mit einer lateinischen Inschrift eingemauert. Ihr Inhalt lautete ungefähr so: "Drei in einer Genossenschaft stehende Gladiatoren, nämlich Lucius Callidius, des Publius, Sohn aus der tromentinischen Zunft, der in den Gladiatorenkämpfen hundert Palmen (Siege) davon trug, und Quadrigtus Amicus und Caius Secundius setzen der erhabenen Minerva einen Altar für glückliche Erhaltung in den Kampfspielen". Da weder zu Wattwil noch überhaupt im Toggenburg irgendwelche Spuren einer römischen Ansiedlung vorkommen, so muss dieser Stein zweifellos von einem anderen Ort hierher gebracht und eingemauert worden sein. 

War man durch den Torbogen in den Schlosshof eingetreten, dann gewahrte man zur Linken den 86 Schuh tiefen Ziehbrunnen. Jedes Jahr setzte sich ein Mann in einen der beiden schwebenden Kessel und liess sich an der langen Kette hinunter gleiten, um in der schauerlichen Tiefe von 30 Metern die Wasserbehälter zu reinigen. Selbstverständlich führte auch eine Leitung von aussen her ins Schloss. Weil aber die Teuchel bei Belagerungen oft durchschnitten wurden, hatte man schon sehr früh diesen Brunnen in den Felsen gegraben. 

Der immer noch stehende Turm ist Ibergs ältester Bestandteil. Seine unteren Partien stammen aus der Zeit der Gründer, die oberen, soweit sie nicht bei der Renovation von 1902 ergänzt wurden, aus der Zeit Abt Berchtolds von Falkenstein. Er konnte nicht, wie jetzt, vom Platz aus, sondern nur von oben her durch den Wehrgang über dem Torbogen betreten werden. Über diese "Seufzerbrücke" schritten die Gefangenen hinunter zu den Verliessen, aus denen ohne fremde Hilfe keiner mehr entkam. Wer heute in die Burg eintritt, der steht aller Wahrscheinlichkeit nach im oder über dem Kerker, in dem der gramgebeugte Edle von Iberg seinen mitgefangenen, toten Sohn Ulrich beweinte. Hier in diesen feuer- und diebessicheren Gewölben lagen einst wohlverwahrt auch die Archive und Kirchenschätze des Klosters St. Gallen. Fürstabt Pius Reher hatte sie 1643, als die Schweden wieder einmal die Grenzen unseres Landes bedrohten, hierher flüchten lassen. Die kostbare Habe war derart umfangreich, dass die Wattwiler Brücke unter der schweren Last zusammenbrach und Mann und Ross und Wagen samt dem Begleiter P. Viktor Reding, dem Neffen des alten Iberger Vogtes, ins Wasser fielen, jedoch, zum Glück, ohne Schaden zu nehmen. 

Begreiflich, dass die Herren der Burg, die Äbte des Stiftes St. Gallen einer so wichtigen Feste wie Iberg alle Sorge zuwandten. Schon Abt Ulrich Rösch (1443-1491) hatte, wie Vadian berichtet, 500 Gulden an Iberg verbaut. Unter Fürstabt Bernhard Müller (1594-1630) erstand die Kapelle und wurden die Gemächer und die Fallbrücke erneuert und neue Geschütze angeschafft. Den Schluss dieser durchgreifenden Renovation bildete die Neufassung des Iberger Wappen, die Jacob Mayer, der Maler von Rorschach, ausführte. Selbst in den Rechnungsbüchern der späteren Äbte stösst man immer wieder auf Ausgabeposten für die toggenburgische Feste, also in einer Zeit, wo die Artillerie den Wert der Burgen als Festungen je länger je mehr in Frage stellte. 

Viele sind im Laufe der Jahrhunderte in der Iberg ein- und ausgegangen. Sie lassen sich in vier Gruppen gliedern: Vögte, Lehensleute, Gefangene und Gäste. Die Abtei St. Gallen durfte selbstverständlich eine so wichtige Festung wie Iberg nicht unbemannt lassen. Sie setzte deshalb einen Vogt hinein. Alle noch vorhandenen Bestallungsurkunden, angefangen von der ersten, (ausgestellt am 13. März 1420), bis zur letzten (vom 28. Juni 1780), weisen dem Iberger Vogt als erste Aufgabe die Burghut zu. Er musste, wenigstens bis zum Toggenburger Krieg, im Schlosse wohnen und es mit mindestens drei Mann bei Tag und bei Nacht bewachen. Daneben oblag ihm aber auch die Verwaltung der Vogtei. Zur Vogtei Iberg gehörten ursprünglich zwei Gerichte: das eine hiess Iberg oder Wattwil, in das die Gotteshausleute von Wattwil, Kappel und Ebnat und dazu die Wideralp und der Säntis gehörten; das andere war das Meieramt Scheftenau. In diesen zwei Gerichten versah der Vogt für gewöhnlich die Stelle eines äbtischen Ammanns. Als dann aber im 16. Jahrhundert die beiden Gerichte mit dem ehemals gräflichen Hofjünger in einem einzigen aufgingen, musste er den Vorsitz einem Einheimischen abtreten und sich mit einem Aufsichtsrecht begnügen. Was ihm sonst noch blieb, war der Einzug der Gefälle und der Bussen, sowie die Verpflichtung, auf die Gefangenen im Schloss und auf die Fischenz und den Wildbann im Vogteigebiete stets ein aufmerksames Auge zu haben. 

Als Lohn für seine Arbeit erhielt er beispielsweise im 17. Jahrhundert freie Wohnung im Schloss samt Holz aus dem Vogtswald, das Nutzungsrecht der Schlossgüter Burghalden und Torstädeli, der Weide, gegen St. Maria gelegen und eine Rietwiese, ferner 30 Gulden an Geld aus dem Amt Lichtensteig, den halben Teil der Bussen, die aus den niederen Gerichten fielen, 3 Malter Haber aus dem Amt Wil, 5 Saum Wein, die er auf eigene Kosten von Stammheim abholen lassen musste, 25 Gulden für die Tafel an den Ratstagen in Lichtensteig und 14 Alprechte im Säntis, die er selber nutzen oder um Geld verleihen konnte. 

Es geht nicht an, in jedem Verwalter der Vogtei Iberg einen Tyrannen zu sehen, nur weil er Vogt war. Die meisten Iberger Vögte waren übrigens Toggenburger, viele darunter sogar Wattwiler. Ihre Liste lässt sich seit 1290 fast lückenlos aufstellen: 

1290: Heinrich von Griessenberg. Vordem ein unentwegter Parteigänger Wilhelms von Montfort, änderte er nach dem Tode dieses Abtes seine Haltung vollständig zu Gunsten Oesterreichs und nahm 1315 an der Schlacht bei Morgarten teil. Privatdozent Hans Georg Wirz, Bern, hält sogar dafür, Heinrich von Griessenberg sei identisch mit dem sogenannten Gessler, der 1324 in der Hohlen Gasse gefallen sei. 

1317: Lütold Schenk von Landegg und 1321 sein Bruder Konrad Schenk von Landegg, 1361 Diethelm Blarer von Wartense~ 1370 Albrecht von Lindenbe~ Schultheiss zu Wil, 1393 Rudolf von Mogelsbergi um die Jahrhundertwende auch Schultheiss von Lichtensteig, 1420 Heini Fischer von Wolfertschwil (Wattwil) und 1421 Albert Merler. 

1433: Heinrich Thurmann. Die Thurmann waren toggenburgische und äbtische Lehenleute. Im Jahre 1431 schenkten Johann und Rudolf Thurmann von der Oberwis den Pfanneregger Schwestern die Hofstatt und Hofraiti zu Bärenfels in der Panneregg, wo auch drei Vertreterinnen dieses Geschlechtes, nämlich Gertrud, Petronilla und Ursula Klosterfrauen waren. Heinrich,der Vogt auf Iberg, der 1434 noch von Ulrich Wenk, einem Bürger zu Lichtensteig, das Gut "zuo dem Türlin" oberhalb Iberg gekauft hatte, wurde 1452 aus uns heute vollkommen unbekannter Ursache enthauptet~ Das Rechnungsbuch Abt Kaspars, das davon berichtet, enthält bloss den Eintrag: "Item min herrhat verlorn ain vogt Turman sinem vogt ze Yberg, der enthoptet ward, 106 gulden". 

1447: Johannes Loser aus dem Thurtal, um 1476 ein Grob, auch Suterli genannt, 1483 Hiltprand Miles von Lichtensteig. Sohn des ersten toggenburgischen Landvogts Albrecht Mi.les und Vater des Wattwiler Pfarrers und Reformators Moritz Miles, um 1512 Heinrich Miles von Lichtensteig, ein Bruder des Hiltprand und 1517 Hans Suter ab der Rüti von Wattwil. 

1538: Franz (Zist) Hoffamann von Wattwil, vorher Ammann in Gotteshausleuten, Offizier in französischen Diensten und Hauptmann der Toggenburger nach der Schlacht am Gubel, Schwager des Kappler Prädikanten Jakob Borner. Er scheint 1543 seines Amtes als Iberger Vogt entsetzt worden zu sein, da er sich vor dem toggenburgischen Landgericht wegen Sittlichkeitsdelikten zu verantworten hatte. Einem zweiten Urteilspruch vom 1. Oktober 1556 entzog er sich durch Landesflucht. Zur Strafe wurde sein Hab und Gut vom Landvogt beschlagnahmt. 

1543: Ulrich Lieberherr, 1549 Michael Holkron von Wattwil, 1555 Jakob Höuptli von Wattwil aus der Schomatten, 1581 Rudolf Lenzlinger von Mosnang, 1587 Rudolf Meyer von Wattwil, gestorben am 2. Feb. 1605, und 1605 Hans Georg Forrer von Lichtensteig, vorher Baumeister. 

1617: Georg Dietrich Reding von Biberegg aus Schwyz, Stephaniterritter und f1rrstlich-st. gallischer Rat, geboren 1587 als Sohn des toggenburgischen Landvogts Johann Rudolf Reding, gestorben 1657 als Vogt von Rorschach. Seine erste Gemahlin Anna Maria Hässi von Glarus erlag am 21. Juni 1629 der Pest, die damals ganze Land - striche entvölkernd auch vor den Mauern Ibergs nicht Halt machte. Wenige Tage später folgte der Herrin die Schlossmagd Ursula Grob, ebenfalls ein Opfer der unheimlichen Seuche, ins Grab. 

1635 Josue Tschudi von Glarus, ein Nachkomme des berühmten Geschichtsschreibers Gilg Tschudi, fürstlich-st. gallischer Rat und Oberstlieutenant, geboren im Schlösschen Winkelbach in St. Fiden am 7. April 1604, gestorben auf Schloss Iberg am 10. Juni 1656. 

1656: Junker Meinrad Hässi von Glarus, fürstlich-st. gallischer Rat und Oberstwachmeister, Anführer der toggenburgischen Kompagnien im schweizerischen Bauernkrieg, Stiefbruder des fürstlich-st. gallischer Landeshofmeisters Freiherr Fidel von Thurn. Nach seinem Ableben am 4. Oktober 1688 blieb der Posten eines Iberger Vogtes eine Zeitlang unbesetzt. Den Einzug der Gefälle besorgte inzwischen der Lichtensteiger Leander Germann. 

1695: Franz Anton Schorno von Schwyz. Er verlor, wie bereits erzählt, am 4. Mai 1710, die Feste durch Überrumpelung an die Toggenburger und zog darauf mit seiner Gemahlin und 5 Kindern in seine Heimat ab. Von diesem Tage an residierten die Iberger Vögte nicht mehr auf dem Schloss. 

1722: Franz Rudolf Germann von Lichtensteig, fürstlich-st. gallischer Rat, der Sohn und 1744 Franz Joseph German~ der Enkel des toggenburgischen Landweibels Josef Germann. 

1762: Dr. med. Joh. Balthasar Bürgi und 1780 Franz Joseph Würt~ beide Bürger von Lichtensteig und fürstlich-st. gallische Räte. Franz Joseph Würth, dem Letzten aus der langen Reihe der Iberger Vögte, verkaufte St. Gallens letzter Fürstabt 1798, wenige Tage vor dem Zusammenbruch der alten Eidgenossenschaft, die Burg samt deren Gütern und Rechtsame. Mit der Neugestaltung der Schweiz war die Zeit der Vögte endgültig vorbei und mit ihr aber auch die kurzlebige Selbständigkeit des Toggenburgs. 

Wie schon erwähnt, hatten sich nach dem Zwölferkriege LehenleuteL Weibel Balthasar Kappler und Meister Sebastian Steiger und ihre Familien im Schloss häuslich eingerichtet. Als Miet- und Pachtzins mussten sie dem Vogt, der nun im nahen Städtchen wohnte, jährlich 160 Gulden zahlen. 1754 spielte sich auf Iberg eine Episode ab, die Näppis Deli im 28. und 29. Kapitel seiner Lebensgeschichte erzählt:

"Der damalige Schlossbauer, Weibel (Kappler) nahm mich zum Knecht an. Von meiner überstandenen Krankheit war ich noch ziemlich abgemattet; aber mein Meister, als ein vernünftiger und stets aufgeräumter Mann, trug alle Geduld mit mir, um so viel mehr, da er eigne Buben von gleichem Schrot hatte. Die meiste Zeit musst' er seinen Amtsgeschäften nach; dann gieng's freylich oft bunt Uber Eck. Indessen gab er mir auch blutwenig Lohn, und die Frau Bäurin liess uns manchmal bis um 10 Uhr nüchtern. Bey strenger Arbeit aber erhielten wir auch immer bessre Kost. Bisweilen brachten wir ihm etwas Wildpret, einen Vogel oder Fisch nach Haus; das liess er sich vortrefflich schmecken. Eines Tages erbeuteten wir ein ganzes Nest voll junger Krähen; die musst' ihm seine Hausehre wunderbar präpariren. Er verschlang mit ungeheurer Lust alle bis auf die letzte. Aber mit Eins gab's eine Rebellion im Magen. Er sprang vom Stuhl, und rannte todtblass und schnellen Schrittes den Saal auf und nieder, wo die Füss und Federn noch überall zerstreut am Boden lagen! Endlich schneutzt er uns Buben mit lächerlichem Grimm an: "Thut mir das Schinderszeug da weg, oder ich k .... Euch hunderttausend Dotzend von Euern Bestien heraus. Einmal in meinem Leben solche schwarze Teufel gefressen, und nimmermehr''! Dann legte sich der launige Mann zu Bethe, und mit einem tüchtigen Schweiss ging alles vorbey.
Der Weibel hatte ein bluthübsches Töchterchen, aber scheu wie ein Hase. Es war mir eine Freud' wenn ich sie sah, ohne zu wissen, warum? Nach etlichen Jahren heurathete sie einen Schlingel, der ihr ein Häufchen Jungens auflud, und sich endlich als ein Schelm aus dem Lande machte. Das gute Kind!“

Zu den Amtsverrichtungen des Iberger Vogtes gehörte auch die Verwahrung der Gefangenen. "Undt wan ihme gefangene Leüth zuegeschickht worden von meinem gnädigsten Herren oder dero Gnaden Landvogt, dieselbigenwohl bewahren und ohne Verwüssen eines Landvogts niemand zue- oder von ihnen lassen", heisst es noch in der Bestallungsurkunde Franz Anton Schornos. 

Die Verliesse befanden sich im Turmgeschoss des Schlosses. Im untersten Kerker konnte der Häftling tatsächlich weder Sonne noch Mond noch Sterne mehr sehen. Es ist ein tragisches Geschick, dass ausgerechnet die Erbauer der Burg das Gefängnis als Erste bewohnten und dass Ulrich von Iberg darinnen sein junges Leben aushauchen musste. Die Beiden, Vater und Sohn, eröffneten die lange Liste der Gefangenen, die in keinem Jahrhundert mehr abriss.

1629 wurde eine ganze Reihe von Obertoggenburgern auf Iberg eingekerkert, lauter Schuldige, Mitschuldige und Mitwisser an der Ermordung des äbtischen Hofammanns Hans Ledergerw. Ihrer vier erlitten inmitten der schrecklich wütenden Pest am 6. und 7. August zu Lichtensteig den Tod durch Henkershand. 
Das toggenburgische Landgericht war aber nicht das einzige, das Gefangene in den Iberg lieferte. Manche wurden von den Aebten selber eingewiesen. So verständigten sich 1396 Johann, Hans und Heini Brisi von Hagenwil, Leibeigene des Klosters St. Gallen mit Abt Kuno von Stoffeln über die Freilassung ihres zu Iberg gefangengesetzten Brunders Ueli, genannt Fäsi, und der St. Galler Chronist Christian Kuchimeister erzählt, wie Abt Rumo von Harnstein den Ammann von Appenzell, Hermann von Schönenbüel, einen Edelmann, auf die Burg Klanx kommen, ihn dort verhaften und heimlich gefangen nach Iberg führen liess. Darüber aufgebracht, belagerten die Appenzeller dafür Klanx, und zwar so lange, bis der Abt mit seinen Freunden und mit den Gotteshauses Leuten sie entsetzte. 

Im August 1545 steckte Fürstabt Diethelm Blarer von Wartensee den St. Johanner Abt Johann Zoller samt einigen Mönchen ins Iberger Gefängnis. Dieser, ein damals 20jähriger Jüngling und Taugenichts, kam nicht eher wieder hinaus, als bis er sich im Oktober endlich dazu bequemte, von der Abtei abzudanken. Um diese Zeit muss es auch gewesen sein, das der gleiche energische Diethelm Blarer, willens, in seinem Gebiete die kirchliche Reform durchzuführen, eine ganze Schar von Pfanneregger Schwestern hier einsperrte. 

Keiner der Gefangenen auf Iberg ist berühmter als der spätere Abt Ulrich Rösch. Kaum hatte der grosse Schuldenmacher Kaspar von Breitenlandenberg die Verwaltung der Abtei wieder in seine eigene Hand bekommen, da liess er den Pfleger Ulrich Rösch 1453 ins Gefängnis und zwar in dasjenige des Ibergs werfen. Die Vermutung liegt nahe, dass Ulrich Rösch ehemals bei der Verurteilung des Vogtes Heinrich Thurmann anno 1452 die Hand mit im Spiel hatte. Wer weiss, ob nicht Kaspar von Breitenlandenberg seinen Gegenspieler gerade dadurch besonders empfindlich demütigen wollte, dass er ihn hierher bringen liess? Wer hätte aber auch gedacht, dass der Gefangene auf Iberg schon ein Jahrzehnt später den Abtsstab von St. Gallen ergreifen und einer der grössten Aebte der St. Gallusstiftung werden sollte? Und wer hätte ahnen können, dass er wieder fünf Jahre später das Toggenburg vollends in seine Hand bekommen und für das Tal an der Thur eine ganz neue Zeit heraufführen sollte? Mit welchen Gefühlen mag Ulrich VIII. an der denkwürdigen Landsgemeinde des Sonntages vor St. Ulrich 1469 auf der Pfaffenwiese während der Huldigung der Toggenburger Mannen zum Iberg hinübergeschaut haben! Wenn er fortan oben in seinem Schloss einkehrte, dann stand die Burghut mit blitzblanken Waffen in Achtungstellung. So war es schon bei seinem Vorgänger Rumo von Ramstein gewesen, der 1281 "ze Yberch in dem boumgartun" eine Urkunde siegelte. So war später, als seine Nachfolger Bernhard Müller ( 1619 und 1622) und Joseph Rudolfis (1721) oder andere hohe Gäste, wie Abt Jodokus Singeisen von Muri (1619) auf den Iberg kamen. 

Vom 16. Juni 1620 an fanden auch die Schwestern des abgebrannten Klosters Pfanneregg hier ein gastliches Dach. Tag für Tag erklang nun über ein Jahr aus der eben renovierten Schlosskapelle der Nonnen Chorgesang und die Anfangsverse des Psalmes 126 mochten aus den Mauern der Feste wie eine besonders eindrückliche Mahnung tönen: 

Nisi Dominus custodierit civitatem, frustra vigilat qui custodit eam.

Wenn der Herr die Stadt nicht bewacht, wacht der Wächter umsonst.

Anmerkungen:
Zur Baugeschichte: Stiftsarchiv A 79, D 879/80, Bd. 261, 1932, 272 A/B Acta Togg. F. 1547, 1550, 1564, 1572 f., 1575 (Rechnungsu. äbt. Tagebücher); über Iberger Vögte a.a.O. A 79, 91, Lehentom 75-77, 102, 114, 125, 132-34, 143, Bd. 234, Acta Togg. F 1466, 1469, 1530/34, 1550, 1571/72, 1577; Zürcher Akten X 104, 110; ferner; Rubr. LXXXV Fase. 25, CXX Fase. l (Tagebücher u. dgl. wie oben); Pfarrarchive Kath. W'wil, Lichtensteig, Rarschach (Jahrzeit- u. Kirchenbücher). Ueber Zerstörung Schloss Iberg: Braunwalder J., in: Togg'bl. XVIII. Ueber Lehensleute, Gäste, Gefangene: Stiftsarchiv Rubr. CXX Fase. l, äbt. Tagebücher (wie oben), X. 110, Klosterband S. Maria Angelorum (C 699), Landgerichtsprotokoll (F 1466). 

Veröffentlichung durch: 
Buchdruckerei Wattwil AG, Wattwil, 1960, l. Reihe